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Meine versöhnende Bauchgeburt

Vor ein paar Tagen habe ich meine zweite Tochter per Wunschkaiserschnitt geboren. Die Geburt war ein wunderschönes Erlebnis und ich habe das Krankenhaus mit Glückseligkeit, Dankbarkeit und Freude verlassen.


Diesen Moment kenn ich auch anders, denn nach der Geburt meiner ersten Tochter im Oktober 2020 verließ ich das Krankenhaus durch das Erleben von Gewalt als psychisch und physisches Wrack. Während und nach der Geburt wurde ich allein gelassen und verbal gedemütigt, Kommunikation, Aufklärung, Miteinbezogen werden in Entscheidungen fehlten. Durch das Anwenden vom Kristeller- Handgriff entstand eine Fraktur des Kreuzbeins, durch die Saugglocke mehrere Verletzungen.


Eine posttraumatische Belastungsstörung und langwierige, chronische Nervenschmerzen waren die Folge. Meine Welt stand Kopf, ich hatte keinen Boden unter den Füßen mehr. Ich hatte das Gefühl, mich von dem Erlebten nie wieder erholen zu können, was auch unsere weitere Familienplanung ins Wackeln brachte.


Durch verschiedene Therapieformen auf mentaler und körperlicher Ebene gelang es mir jedoch, das Trauma nach und nach in meine Lebensgeschichte zu integrieren, die Geburtsgeschichte anzunehmen, in meine Mitte zurückzufinden, mich wieder stark zu fühlen. Ein großes DANKE an dieser Stelle an Angelika Moyzisch (@femmephysiowien) die mich auf meiner Heilungsreise so wundervoll begleitet hat!!


Durch die Verarbeitung des Traumas und dem Austausch mit vielen anderen betroffenen Frauen ist es mir ein großes Anliegen geworden, mich aktiv für das Sichtbarmachen von Gewalt rund um die Geburt einzusetzen. So kam es, dass ich vergangenen November anlässlich des Roses Revolution Day beim Vemina Talk „Perspektivwechsel Geburt“ meine Geschichte teilen durfte und ein wertvolles Podiumsgespräch zwischen Hebammen, Psychologin, Gynäkologin, Physiotherapeutin und dem Publikum entstand.


Wir waren uns einig: Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett sind sensible Phasen, in denen Mütter strukturell gut betreut werden müssen, wofür es viel mehr Ressourcen und leistbare Angebote bräuchte. Die Gesellschaft muss darauf sensibilisiert werden, Müttern nach der Geburt Aufmerksamkeit zu schenken, sie aufzufangen und ernst zu nehmen.


Ich kann mich noch genau an das starke Solidaritätsgefühl und die gegenseitige Wertschätzung erinnern, die ich bei dieser Veranstaltung wahrgenommen habe. Einer meiner Gedanken war auch, dass ich im Falle einer zweiten Schwangerschaft von einem Kreis an wunderbaren Frauen umgeben sein würde, die mich rund um die Geburt beraten und unterstützen könnten.


Jetzt der überraschende Wendepunkt in dieser Geschichte: Ich wusste nicht, dass ich zum damaligen Zeitpunkt bereits mit meiner zweiten Tochter schwanger war.

Für mich war noch vor der Planung eines zweiten Babys klar, dass ich aufgrund meiner Vorgeschichte per geplanten Kaiserschnitt gebären würde. Der Gedanke an einen Wunschkaiserschnitt gab mir das Gefühl von Selbstbestimmung, die mir bei der ersten Geburt gefehlt hatte. Mit dem ersten Blick auf den positiven Schwangerschaftstest kamen dennoch auch Ängste auf. Da waren plötzlich Erinnerungsfetzen an die Geburt meiner ersten Tochter - die längst im Hintergrund waren, aber in Hinblick auf eine zweite Geburt wieder relevant wurden. Der bloße Gedanke an ein Krankenhausbett löste fast Panik in mir aus.


Hier kam mir das wundervolle Vemina- Netzwerk zur Hilfe. Anna Krenn (@momdocvienna), die auch Teil des Podiumsgesprächs war und meine Geschichte kannte, empfahl mir, mein Baby in der Klinik Ottakring zur Welt zu bringen und bot mir an, den Kaiserschnitt auch selbst durchzuführen.

Sehr, sehr dankbar nahm ich diese Möglichkeit an und ich kann gar nicht oft genug betonen, mit welchem Glück mich diese Geburtserfahrung seitdem erfüllt, wie versöhnt ich mit der Welt bin.Ich kann nun noch genauer mit dem Finger drauf zeigen, was es für eine würdevolle Geburtshilfe braucht, warum ich dieses Mal kein Trauma davongetragen habe, obwohl die Schmerzen nach dem Kaiserschnitt nun wirklich kein Spaziergang waren und mich in der Intensität doch überrascht hatten.





Es waren bestärkende und beruhigende Worte von Anna, die mir kurz vor der Geburt die Nervosität und Ängste nahmen.


Es war die positive und freundliche Atmosphäre im OP, das immer wieder Nachfragen nach meiner Befindlichkeit und das Erklären der einzelnen Schritte.

Es war das Gefühl von Teamarbeit zwischen Anna, dem OP- Team und mir und das Gefühl, gemeinsam mein Baby auf die Welt zu holen.


Es war das nicht- ausgeliefert fühlen, weil niemand seine Macht demonstriert hat.


Es war das nicht- allein gelassen werden mit Schmerzen und ernst genommen werden.


Es war das Angebot an Schmerzmitteln, ohne dreimal drum bitten zu müssen.


Es war die Kommunikation, das zugewandt sein, die kurzen Plaudereien bei den Zimmer-Visiten.


Es war die Professionalität und Empathie vom Personal.


Es war die Sicherheit, bei Bedarf jederzeit jemanden rufen zu können.


Es war die Hilfe bei der Versorgung des Babys.


Es war das Wechseln von Netzhöschen und zum Duschen begleitet werden, um sich frisch zu fühlen.


Es waren die vielen kleinen freundlichen Gesten, Blicke und Worte.


Während ich im Zimmer mit meiner Tochter kuschelnd immer wieder das Personal im Umgang mit all den werdenden oder frisch gebackenen Mamas beobachtete, durchströmte mich wieder dieses starke Gefühl an Solidarität. Tagtäglich leisten hier ein Haufen Frauen unfassbar wertvolle Arbeit. Mütter tragen neues Menschenleben in diese Welt und werden unermüdlich von wiederum vorwiegend Frauen dabei begleitet. Irgendwie ist das alles für die Gesellschaft selbstverständlich, wird aber kaum wertgeschätzt, weder mit Worten noch monetär.

Dabei macht es für jede einzelne Mama einen riesigen Unterschied, wie die Geburt erlebt wird.

Deshalb ist es mir sehr wichtig, auf diesem Weg ein riesengroßes Dankeschön an Anna Krenn und die Geburtenstation der Klinik Ottakring auszusprechen.

Danke für euer Engagement. Ich wünsche euch endlich bessere Arbeitsbedingungen und dass gesehen wird, was ihr tagtäglich leistet.



Danke an alle Veminas, dass ihr genau diese Themen sichtbar macht und euch dafür einsetzt, allen Frauen eine gute Versorgung zu ermöglichen. Danke, dass ich dieses Mal ein so friedliches Geburtserlebnis haben durfte und die Kennenlernzeit mit meiner kleinen Familie und neuen Erdenbürgerin dieses Mal mit den normalen Höhen und Tiefen des Wochenbetts, aber ohne Trauma, genießen kann.

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