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Warum ein Genderverbot Bullshit ist – und was wir stattdessen empfehlen

Die schwarz-blaue niederösterreichische Landesregierung will das Verbot von mehrgeschlechtlichen Bezeichnungen, wie Gendersternchen, Binnen-I und Doppelpunkt, in behördlichen Texten einführen. Die doppelte Form, also Formulierungen wie „Damen und Herren“, soll weiterhin erlaubt sein.

Und ein “anti-gender” Volksbegehren hat es aktuell über die 100.000-Stimmen-Marke geschafft und muss dadurch im Parlament behandelt werden. Was soll das denn? Müssen wir im Jahr 2023 wirklich noch für genderinklusive Sprache argumentieren? Na gut:



Pro genderinklusive Sprache


Ja, es klingt wie eine Floskel – aber Sprache schafft tatsächlich Wirklichkeit. Gebt Kindern den Auftrag „Schreib eine Heldengeschichte!“ und sie werden über einen Mann schreiben. Sagt ihnen „Schreib eine Heldinnengeschichte!“ und sie werden über eine Frau schreiben.

In einer Schulklasse wurde Kindern gesagt, sie sollen einen “Chef” oder eine “Chefin” malen. Viele der Kinder lachten und meinten, dass es doch gar keine Chefinnen gäbe. Wenn Mädchen* nie von Präsidentinnen, sondern immer nur von Präsidenten lesen, werden sie niemals glauben, selbst Präsidentin werden zu können.


Wenn wir Gendersternchen und Co. verbannen, nehmen wir vor allem Mädchen* die Möglichkeit, sich selbst in vielen Positionen und Berufen wiederzusehen, sich gemeint und gesehen zu fühlen. Aber nicht nur das: Mit dem Gendersternchen hätten wir sogar die Möglichkeit, alle Gechlechter zu inkludieren und noch mehr Menschen wahrzunehmen und wertzuschätzen. In Österreich kann man im Personenstandsregister unter sechs Optionen wählen: Männlich, weiblich, divers, inter, offen und keine Angabe.

Jetzt wird es besonders in Niederösterreich schwierig, alle Geschlechter anzusprechen. Es scheint wohl unrealistisch und ja doch auch etwas umständlich, in behördlichen Dokumenten mit „Sehr geehrte Damen, Herren, diverse und inter* Personen sowie Personen mit offener und ohne Geschlechtsangabe“ zu starten.


Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist eine Menschenrechtsverletzung. Das Inkludieren von Geschlechtsidentitäten in behördlichen Texten zu verbieten – oder ihre Erwähnung zumindest extrem zu erschweren – ist eine Menschenrechtsverletzung.

Österreich ist völkerrechtlich verpflichtet, die Menschenrechte zu respektieren, zu schützen und ihre Verwirklichung voranzutreiben.

Und selbst wenn wir nicht ganz so international sein wollen: Es ist verfassungswidrig.



Contra genderinklusive Sprache


Ein Argument für das niederösterreichische “Genderverbot” ist, dass für manche Menschen mehrgeschlechtliche Bezeichnungen wie das Binnen-I schwer lesbar sind.

Aber: Erstens sind wir Menschen lernfähig und können uns an eine sich entwickelnde Sprache anpassen. Und Sprache entwickelt sich, das können wir nicht mit gesetzlichen Verboten aufhalten. Das war schon immer so. Zweitens haben wir eine ganz einfache Empfehlung für österreichische Behörden und alle anderen, die gelesen und verstanden werden wollen: Wenn wir uns bemühen, Texte insgesamt einfach und verständlich zu schreiben, dann sind auch mehrgeschlechtliche Bezeichnungen keine große Hürde im Lesefluss. Wir können zum Beispiel Sätze kürzen, Verschachtelungen entwirren und Fachjargon vermeiden. Wer wirklich verstanden werden will, wird von genderinklusiver Sprache nicht aufgehalten.


Worum es wirklich geht

Geht es beim Verbot von Sternchen und Doppelpunkten wirklich um Integration? Warum geht das Thema Gender und Sprache vielen Menschen so nahe? So nahe, dass sogar Sprachverbote beschlossen werden, die Menschenrechte verletzen?


Eine Theorie: Die Weiterentwicklung der Sprache spiegelt eine Weiterentwicklung unserer Gesellschaft wider. Sie rüttelt an dem vorherrschenden Bild, es gäbe nur zwei Geschlechter (oder gar nur eines, nämlich das mächtige männliche).

Diese Veränderungen verunsichern und werden politisch ausgenutzt. Alles, was neu ist, was wir nicht kennen und was anderen vermeintlich etwas wegnimmt (in diesem Fall dem Mann bzw. der mächtigeren Mehrheitsgesellschaft), kann Angst machen und zu Unverständnis führen. Anstatt aufzuklären und in den Diskurs zu gehen wird, wird bekämpft und diskriminiert.

Das “Genderverbot” lässt sich als Erfolg verkaufen, während wir mitten in anderen Krisen stecken, die die Aufmerksamkeit der Politer*innen gerade jetzt eher bräuchten.


Was können wir also tun?

Wir sind überzeugt, dass es mehr Bewusstsein braucht: Darüber, dass Sprache Wirkung hat, sowohl wenn sie gendergerecht ist, als auch wenn sie diskriminierend ist. Sprache kann inkludieren, aber eben auch massiv exkludieren.

Gendergerechte Sprache kann verständlich und inklusiv verwendet werden, vielleicht braucht es ein bisschen Übung und ein kleines Umdenken beim Lesen und Sprechen, aber hej, wir können bis zum Mond fliegen, also schafft es die Menschheit auch, die gendergerechte Sprache umzusetzen. Das Befürworten des Gendersterns ist kein Befürworten von “Sprachzensur”, sondern ein Befürworten der Menschenrechte. Mit der Anerkennung von allen Geschlechtern werden die Geschlechtsidentitäten von Mann und Frau nicht abgeschafft, sondern es werden mehr Menschen in ihrer Identität wahrgenommen und wertgeschätzt! Und wer möchte das denn bitte nicht?! Diversität, Respekt und Vielfalt sind immer ein Gewinn und niemals eine Einschränkung! Wir fordern die niederösterreichische Landesregierung auf, diesem Schwachsinn schnell ein Ende zu setzen und im Sinne der Inklusion, den Menschenrechten und der österreichischen Verfassung weiterhin auf eine inklusive und gendergerechte Sprache zu setzen.

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