top of page

RAMMSTEIN - sexualisierte Gewalt und ein Riesenhaufen WUT!

Ein Bericht von Tamara Felbinger

Die letzten Tage fanden die zwei ausverkauften Rammstein-Konzerte in Wien statt. Ausverkauft, ja ausverkauft! Warum gehen weiterhin mehr als 50.000 Menschen zu Konzerten von Männern, denen von vielen, von sehr vielen Frauen* sexualisierte Gewalt vorgeworfen wird? Warum wird das weitgehend ignoriert und zu Liedern mit dem eingängigen Namen „Pussy“ oder „Ich tu dir weh!“ abgefeiert? 500 Menschen haben vor dem Konzert demonstriert. 500 Demonstrant*innen im Vergleich zu 50.000 Fans! Demonstrant*innen, die von diesen Fans bespuckt und beschimpft wurden. Ein Team des ORF wurde angegriffen und vor laufender Kamera mit antisemitischen Äußerungen beschimpft. Eine Freundin von mir wurde von offensichtlichen Rammstein- Fans in der U Bahn lauthals beschimpft und bloßgestellt, weil sie eine Regenbogentasche getragen hat. Das macht mich traurig und wütend. Bei den Kommentaren der Fans bekomme ich Gänsehaut: „Es wird sich ja wirklich über alles aufgeregt“, „Irgendwelche Frauen wollen da nur Ruhm und Reichtum“, „Die wollen doch nur Aufmerksamkeit!“ Sexualisierte Gewalt ist ein höchst emotionales Thema. Ich arbeite als Vortragende mit Unternehmen zum Thema sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz bzw. mit Institutionen im Sozialbereich zum Thema sexualisierte Gewalt insbesondere im Kinderschutzbereich. Bei Übungen, Reflexionen und Diskussionen gehen die Wogen häufig hoch. Das Thema „Glaubwürdigkeit“ ist immer heiß. Was, wenn die Frau* lügt. Was, wenn ihre Schilderungen nicht der Wahrheit entsprechen und der Mann/ Kollege/ Freund zu Unrecht beschuldigt wird? Ja, sobald der Vorwurf sexualisierter Gewalt im Raum steht, wird eine Situation schwierig. Es wird emotional, oft schwammig und das Aussprechen der Beschuldigung beeinflusst Biografien, nicht nur die der betroffenen Personen, sondern auch jene der Kolleg*innen, Zeug*innen und Familien. Aber eines gilt unangefochten: DEM OPFER WIRD IMMER GEGLAUBT! Denn glaubt man im ersten Moment dem potentiellen Opfer nicht und die Geschichte entspricht der Wahrheit, kann dies massive negative psychische Folgen haben. Menschen, die sexualisierte Gewalt erfahren und davon berichten, brauchen nichts anderes als Rückendeckung und jemanden, der/die sie in den folgenden Wochen begleitet. Im Fall Rammstein haben sich mehrere Frauen unabhängig voneinander gemeldet und von Gewalttaten berichtet und dafür werden sie öffentlich, vor allem in den sozialen Medien, beschimpft und gedemütigt. Wo ist denn hier die Unschuldsvermutung, die immer so laut skandiert wird? Von welcher tollen Aufmerksamkeit sprechen diese Menschen? Beschimpfungen, Hass, Bedrohungen? Das macht, glaube ich, niemandem Spaß. All diesen Frauen* wird öffentlich nicht geglaubt. All diese Frauen* müssen die Meinung wildfremder Menschen über sich ergehen lassen. Nichts davon hat etwas mit Ruhm und irgendeinem finanziellen Mehrwert zu tun.In erster Linie haben diese Frauen* eigentlich etwas sehr, sehr Mutiges getan und werden dafür öffentlich vorgeführt. Auch aktuelle Diskussionsrunden im TV völlig absurd. Runden von 4 Männern* und 2 Frauen* die versuchen gegen eine Wand zu kämpfen. Frauen*, die argumentieren und emotional diskutieren, werden von Männern* im TV als Darling betitelt, Männer* sagen, bei 50.000 Fans sind doch 11 Opfer gar nicht so schlimm, Männer*, die sagen, so ist es halt im Rock n` Roll. Wer zu Aftershow-Partys geht, muss auch damit rechnen, dass das “kein Zuckerschlecken” ist (was auch immer das bedeuten soll). HALLO? Also Frauen*, die auf wilde Partys gehen, müssen mit Gewalt und Vergewaltigung rechnen? Frauen*, die kurze Röcke tragen, müssen damit rechnen, dass sie begrapscht werden?Frauen*, die einen „Star“ treffen, müssen halt auch willig sein? Ohje, ohje, wo sind wir hier gelandet? Das Sprechen über sexualisierte Gewalt tut weh, sich vorzustellen, dass ein Mensch, den man kennt, so etwas tut, ist für viele unvorstellbar. Bei bekannten Persönlichkeiten hat man oft das Gefühl, sie zu kennen, vor allem, wenn man sie schon lange bewundert und sich mit der Musik und dem Stil verbunden fühlt. In diesen Fällen ist es leichter, den Opfern nicht zu glauben, weil es ganz einfach weniger weh tut. Weil es weniger unvorstellbar ist. Weil man sich selbst dann nicht eingestehen muss, dass man jahrelang einen Gewalttäter bewundert hat. ABER ES IST FALSCH! Hier stehen Aussagen von vielen Frauen* gegenüber einer Aussage eines Mannes*. Versteht mich nicht falsch, “Im Zweifel für den Angeklagten” ist ein gutes Konzept und muss unbedingt beibehalten werden, aber ob etwas bewiesen oder nicht bewiesen werden kann, überlassen wir der Justiz. Die öffentliche Stimmung und Meinung jedoch, die können wir beeinflussen und diese ist im Falle Rammstein offensichtlich Misogyn und hochgradig gewalttätig. Mich macht es in diesen Tagen so wütend und gleichzeitig so unsicher, wie viele Menschen mit Rammstein T-Shirts herumlaufen. Wie viele Menschen sich öffentlich auf die Seite von potentiellen Sexualstraftätern stellen und wie aggressiv die allgemeine Stimmung ist. Ja, das macht mich wütend, aber es macht mir auch Angst. Angst davor, wo wir als Gesellschaft eigentlich stehen. Angst vor der Zukunft, und ja auch ganz pathetisch Angst um die nächste Generation von Mädchen*, die gerade aufwächst. Meinem Sohn bringe ich bei, wie man Grenzen setzt, aber auch, wie man die Grenzen einhält. Je größer er wird, umso mehr werde ich mit ihm über seine Rolle als Mann* in der Gesellschaft sprechen. Darüber, dass er alles sein kann, was er will, aber dass er ganz besonders als Mann* Verantwortung, solch einen Mist nicht weiter mitzutragen! Hoffentlich wird die Generation an Männern* die wir gerade großziehen, diesen Fall Rammstein als völlig absurd und vernab jeder Realität einstufen! Ja hoffentlich!




bottom of page