Bericht eines Selbstversuchs
Manche Leute machen gerne Sport, andere schauen gerne Sport. Ich gehöre zu ersteren. Ich LIEBE Sport und Bewegung! Und wenn ich mich einmal für ein, zwei Tage nicht so bewegen kann, wie ich das möchte, werde ich unruhig. Trotzdem fiel es mir in der Schwangerschaft gar nicht so leicht, am regelmäßigen Sporttreiben dranzubleiben. Das hatte vor allem zwei Gründe: Zum einen hatte ich zu Beginn stark mit der Übelkeit zu kämpfen und verbrachte mehrere Wochen zwischen Couch, Bett und Badezimmer. Zum anderen musste ich mein Sportprogramm zuerst einmal ordentlich umstellen und neue Bewegungsroutinen in meinen Alltag integrieren. Dazu muss man sagen, dass ich Sportarten bevorzuge, die aufgrund der Belastung oder des Verletzungsrisikos nun wirklich nicht für Schwangere geeignet sind, wie etwa Klettern, Kunstturnen oder Beachvolleyball. Verzicht auf bestimmte Bewegungsformen war also angesagt – leichter gesagt, als getan. Zum Glück gibt es aber genügend Sportarten, die man auch als Schwangere noch ausführen kann und so kompensierte ich meinen Verzicht vor allem durch Schwimmen und Radfahren. Während ich also im Hochsommer als Hochschwangere auf dem Fahrrad meine Runden und meine Bahnen durch die Alte Donau zog, träumte ich von meinem baldigen Sportcomeback nach der Geburt. Letztendlich sollte – wie so oft im Leben – aber alles (etwas) anders kommen.
Wochenbett – wochenlang im Bett
Mein Wochenbett fand vom ersten Tag an zuhause statt und bereits am dritten Tag fiel mir die Decke auf den Kopf (oder war es der Babyblues…?). Am vierten Tag hatte ich einen Lagerkoller und am fünften Tag MUSSTE ich zumindest für zehn Minuten spazieren gehen. Am Abend des fünften Tages war ich heilfroh, noch die nächsten sechs Wochen mit gutem Gewissen zuhause bleiben zu können und „nichts“ tun zu müssen. (In Wahrheit ist das Stillen ohnehin mehr als ein Fulltimejob und Mama kann froh sein, wenn sie Duschen und Zähneputzen zwischen den ersten Clusterphasen überhaupt an einem Tag schafft.)
Ja, ich bin ein schwerer Fall von Bewegungsdrang und „keine Ruhe geben können“ und so musste ich meine erste Lektion auf die harte Tour lernen. Nach diesem ersten Ausflug mit unserem Nachwuchs, der nicht länger als eine Viertelstunde gedauert hat, wurde mir klar, dass das Ankommen im neuen Leben, das Einleben mit dem Baby und der Rückbildungsprozess im Wochenbett oberste Priorität haben, wenn man dem Kind und sich selbst nicht zu viel zumuten will. Dabei darf das Wochenbett keinesfalls als passive Zeit verstanden werden, in der man nichts tun kann. Denn (Lektion Nummer 2): Man darf das Glas auch ruhig halb voll sehen. Während ich also Windeln wechselte, schmutzige Wäsche wusch und mich vor meinem inneren Auge bereits für die nächsten 18 Jahre stillend auf der Couch sitzen sah, wurde mir klar, dass ich alles andere als untätig war, sondern tatsächlich weitaus aktiver als in den letzten Wochen vor der Geburt. Und spätestens mit Beginn der ersten Dauerstillphase hatte ich auch heraußen, wie sich ein erstes Sensibilisieren und Aktivieren des Beckenbodens bis hin zu einfachen Übungen in jedes „mit dem Baby auf der Couch kleben bleiben“ mit einbauen lassen.
Nachkontrolle beim Arzt: back to normal?
„Alles rückgebildet, Sie dürfen wieder alles machen und auch Sport treiben.“ Wer hat diesen Satz nicht gehört bei der Nachkontrolle bei der Gynäkologin oder dem Gynäkologen? Und wer hat trotzdem von der Hebamme, der Physiotherapeutin oder dem Physiotherapeuten den Rat bekommen, mit für den Bauch und den Beckenboden belastendenden Sportarten lieber noch ein paar Monate zu warten?
Auch im Internet oder in Ratgebern findet man die unterschiedlichsten Informationen und so befand ich mich in der Zwickmühle, nicht zu wissen, woran ich mich nun halten sollte. Fakt war aber: Ich spürte, dass noch nicht alles so war, wie es sein sollte. Oder besser: dass noch nicht alles dort war, wo es sein sollte. Zum Beispiel die Bauchmuskeln. Diese bildeten nämlich über und unter meinem Bauchnabel noch einen ordentlichen Spalt, die Rectusdiastase, und ließen sich nicht so anspannen, wie ich das wollte. Das ist zwar keine Pathologie (daher die Sportfreigabe), aber doch eine Dysfunktion (daher das Abraten der Hebamme).
Rückbildung, aber richtig!
Ein Rückbildungskurs musste her. Dort erfuhr ich, dass der größte Teil der Rückbildung im Wochenbett geschieht und auch die Rectusdiastase in weiten Teilen von selbst heilt, wenn man sich an die Empfehlung hält, sehr viel Zeit im Liegen zu verbringen und die ersten Wochen nach der Geburt ruhig anzugehen. Schmerzhaft wurde mir bewusst, dass ich Lektion 1 (Zu früh zu viel wollen) zwar vielleicht gelernt, aber nicht begriffen hatte. Zum Glück hatte ich Lektion 2 (Das Glas halbvoll sehen) besser verinnerlicht: Trotz nicht abgeschlossener Rückbildung, sprich offenem Bauchspalt und noch nicht vollends belastbarem Beckenboden, gibt es eine ganze Reihe an Sportarten und Bewegungsformen, die Mama trotzdem ausführen und dabei auch noch die Rückbildung unterstützen kann. Ich stürzte mich also ins mamaFIT-Training, ging schwimmen und radfahren und trainierte nahezu täglich zuhause meine seitlichen Bauchmuskeln, um der Rectusdiastase beim Heilen zu helfen. Bald schon stellten sich erste Erfolge ein: Der Bauchspalt wurde spürbar kürzer und schmäler, die Körpermitte zusehends kompakter und der Beckenboden fühlte sich auch immer stabiler an. Da könnte ich mich doch mit ein bisschen Bouldern belohnen, oder?
In der Kletterhalle angekommen wusste ich, dass ich mich zurückhalten und nur ganz leichte Routen machen würde. Trotzdem freute ich mich auf meine erste Bouldersession nach über einem Jahr. Doch die Freude verflog schnell: Es ging einfach nicht, es machte keinen Spaß. Die fehlende Körperspannung durch den Bauchspalt machte sich bei allen möglichen Bewegungen bemerkbar. Unnötig zu erwähnen, dass ich die Rückstände aus der Rückbildung in den darauffolgenden Wochen auch noch beim Laufen, Wandern und Kunstturnen bemerkte. Ich musste also einsehen, dass ich wieder einmal zu früh zu viel gewollt hatte.
Alles fit im Schritt?
Es zahlt sich also aus, die Signale des eigenen Körpers ernst zu nehmen. Spätestens bei der nächsten Verkühlung (oder allerspätestens in der Menopause) wirst du froh sein, wenn du nach der Geburt regelmäßig beckenbodenkräftigende Übungen gemacht hast. Denn es ist nicht nur unangenehm, beim Lachen, Niesen, Husten eine gewisse Unsicherheit im Beckenboden zu verspüren, sondern führt durchaus auch dazu, dass Mensch (vor Beckenbodenproblemen und möglicher Inkontinenz sind schließlich auch Männer nicht gefeit!) versucht, bestimmte Alltagssituationen, denen der Beckenboden nicht gewachsen ist, zu vermeiden. Und dabei sprechen wir nicht vom Trampolinspringen oder einem Marathonlauf. Welche psychische Belastung ein schwacher Beckenboden mit sich bringt, wird allzu offensichtlich, wenn man Aussagen hört, wie: „Heute weiß ich, wieso meine Mutter früher nie wollte, dass wir zuhause Witze erzählen.“
Beckenbodengesundheit steht also auf gleicher Stufe wie Selbstbewusstsein und sexuelles Wohlbefinden. Dies macht klar, dass Kräftigungsübungen für unseren sensibelsten Bereich Teil eines lebenslangen Prozesses sind. Denn die schlechte Nachricht ist: Auch ein gut rückgebildeter Beckenboden und eine geheilte Rectusdiastase können, wenn sie falsch belastet und/oder nicht regelmäßig gekräftigt werden, wieder an Kompaktheit verlieren bzw. aufgehen. Dazu kommt, dass die Muskelmasse und damit auch die Kraft im Alter kontinuierlich nachlassen und dies betrifft alle unsere Muskeln gleichermaßen.
Back to sport!
Regelmäßige Rückbildungsübungen und Geduld haben sich schließlich auch bei mir bezahlt gemacht. Nachdem die Rectusdiastase geheilt und der Beckenboden wieder kompakt(er) war, konnte ich nicht nur wieder die Körperspannung und Kraft aufbauen, die ich für das Ausüben meines Sports brauchte, sondern ich konnte das Sporttreiben auch endlich wieder freudvoll genießen. Und so ganz nebenbei hatte ich durch die intensive Auseinandersetzung mit meinem Körper auch erstmals gelernt, auf eine physiologische Ausführung meiner Bewegungen und eine gesunde Körperhaltung zu achten, um Verspannungen, Verletzungen und Dysbalancen vorzubeugen.
Nach zahlreichen Abs, aber zum Glück noch mehr Aufs kann ich nun wieder jede Sportart ausüben, die ich möchte. Jede? Jein! Denn ab und zu muss auch ich mich bei der Nase nehmen und einsehen, dass die Tagesverfassung manchmal kein Lauftraining zulässt. Oder dass der Beckenboden in der zweiten Hälfte des Zyklus weniger kompakt ist und sich in den Tagen vor der Periode schwächer anfühlt. An Lektion 1 – nicht (zu früh) zu viel wollen – arbeite ich nämlich immer noch.
Übungsbeschreibungen
Side Plank Dips
Muskulatur: quere Bauchmuskeln, Arm- und Schultermuskulatur, Beinmuskulatur
Ausführung: Auf einer erhöhten Fläche (z.B. Tisch, Couch) stützt du mit der flachen Hand (oder auch auf dem Unterarm), ziehst deinen Bauchnabel nach innen und deinen Beckenboden nach innen oben. Dein Körper bildet dabei von Kopf bis Fuß eine Linie. Nun senkst du die Hüfte nach unten ab, dabei atmest du aus. Mit dem Anheben der Hüfte atmest du wieder ein.
Wiederholungen: Pro Seite machst du 15-20 Wiederholungen. Nach ein bis zwei Wochen Training kannst du die Übung um 5-10 Wiederholungen steigern.
Beinlift mit Oberkörpertwist
Muskulatur: quere Bauchmuskeln, Hüftbeuger, Beinmuskulatur
Ausführung: Du sitzt aufrecht auf einer erhöhten Fläche, ziehst den Bauchnabel nach innen, den Beckenboden nach innen oben und drückst die Hände fest gegeneinander. Nun streckst du ein Bein, hebst es mit der Ausatmung nach oben und drehst dich mit dem Oberkörper in die Richtung des gestreckten Beines. Anschließend drehst du dich mit der Einatmung wieder zurück und senkst das Bein bis kurz vor dem Boden ab.
Wiederholungen: Pro Seite machst du 15-20 Wiederholungen. Nach ein bis zwei Wochen Training kannst du die Übung um 5-10 Wiederholungen steigern.
Squeeze
Muskulatur: quere Bauchmuskulatur, Hüftbeuger, Gesäßmuskulatur, Beinmuskulatur
Ausführung: Du stehst aufrecht und aktivierst die Bauchmuskulatur und den Beckenboden. Mit der Ausatmung hebst du das Knie seitlich nach oben und ziehst dich ganz klein zum gleichseitigen Ellbogen zusammen. Mit der Einatmung senkst du das Bein wieder ab und hebst es anschließend mit der Ausatmung wieder an.
Wiederholungen: Pro Seite machst du 15-20 Wiederholungen. Nach ein bis zwei Wochen Training kannst du die Übung um 5-10 Wiederholungen steigern.